GEW-Brief an Ministerpräsidenten: Hohe Belastungen und sinkender Infektionsschutz durch steigende Belegungszahlen in Kitas
Die GEW Sachsen-Anhalt sieht mit großer Sorge und zunehmendem Unverständnis auf die hohen Belegungszahlen in den Kindertagesstätten des Landes. Betreuungsquoten von bis zu 80 Prozent konterkarieren die eigentlich vorgesehene Notbetreuung und führen zu steigenden Belastungen der Beschäftigten. Deshalb hat sich die GEW heute mit einem Brief an Ministerpräsident Reiner Haseloff gewandt.
Die GEW appelliert in dem Brief an den Ministerpräsidenten und die gesamte Landesregierung, die angespannte Lage in den Kindertagesstätten zu entschärfen. Dies wäre etwa durch eine bessere Absicherung des Gesundheitsschutzes für die Erzieher*innen möglich, was auch über eine konsequentere Auslegung des Notbetreuungsanspruchs erfolgen sollte.
Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt, sagte dazu heute in Magdeburg: „Uns liegen Berichte vor, dass in einigen Einrichtungen bis zu 80 Prozent der Kinder weiter betreut werden. Es muss jedem klar sein, dass unter solchen Bedingungen Abstand, Kleingruppen und getrennte Mahlzeiten nicht gewährleistet sind. Zudem steigt der Personaleinsatz in diesen Fällen enorm, da auch in den Randzeiten keine Mischgruppen gebildet werden sollen. Dazu kommen in einigen Fällen die Auseinandersetzungen mit Trägern und Eltern. Kurzum: Die Erzieher*innen leisten sehr viel, sie sind jetzt aber am absoluten Limit!“
In dem Brief schlägt die GEW vor, die Beschäftigten in der Kinderbetreuung auch gegenüber den Trägern und Eltern deutlich besser zu unterstützen und ihnen früher als bisher geplant ein Impfangebot zu unterbreiten. Ohne solche Maßnahmen würden sich alle Akteure weiter aus der Verantwortung stehlen. „Die Landesregierung ist jetzt gefordert, damit aus dem Notbetrieb in den Kitas nicht einseitig eine Not der Erzieher*innen wird“, schloss Gerth.
Zum Brief an den Ministerpräsidenten:
Notbetreuung in Kindertageseinrichtungen
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Haseloff,
die aktuellen Entwicklungen bei der Inanspruchnahme von Notbetreuungsangeboten in den Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt veranlassen mich, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Belegungszahlen stetig steigen und von einer Notbetreuung, wie sie gemäß der „Neunten Verordnung zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus“ intendiert ist, nicht mehr die Rede sein kann.
In der Öffentlichkeit wird nach wie vor der Eindruck erweckt, Kindertageseinrichtungen wären weitgehend geschlossen und es würde nur in dringenden Fällen eine Notbetreuung vorgehalten. In Wirklichkeit befinden sich jedoch die allermeisten Einrichtungen in einem eingeschränkten Regelbetrieb. Vor dem Hintergrund der nach wie vor hohen Inzidenzwerte in allen Landkreisen und kreisfreien Städten und den ansonsten geltenden Kontaktbeschränkungen sorgt das für Unverständnis.
Berichte aus Einrichtungen mit Belegungszahlen bis zu 80 Prozent lassen für die GEW den Rückschluss zu, dass örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe von ihrer Möglichkeit der Zulassung von Ausnahmeregelungen, die eine Betreuung auch dann ermöglicht, wenn Eltern nicht den in der Verordnung ausgewiesenen Schlüsselpersonen zuzurechnen sind, umfassend Gebrauch machen.
In Anbetracht der Tatsache, dass in den Kindertageseinrichtungen das Abstandhalten im Wesentlichen unmöglich ist, sehen die Beschäftigten diese Entwicklungen mit Sorge und großem Unmut. Maßnahmen des Gesundheitsschutzes für Erzieher*innen werden mit einem weiteren Aufwuchs der Betreuungszahlen unmöglich gemacht.
Die Beschäftigten brauchen in dieser Phase des wachsenden Drucks seitens der Träger und Eltern deutlich mehr Unterstützung, denn es ist offensichtlich, dass die Kindertagesbetreuung für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft eine zentrale Bedeutung hat.
Aus unserer Sicht ist es deshalb notwendig, die Impfstrategie zu überarbeiten. Die GEW fordert die Landesregierung auf, Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen deutlich früher ein Impfangebot zu unterbreiten, als es derzeit geplant ist. Nur durch eine schnelle Immunisierung des Personals kann auch den notwendigen Betreuungserfordernissen Rechnung getragen werden. Ohne diese Maßnahmen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein weiterer Aufwuchs der Betreuungszahlen nicht verantwortbar. Die Landesregierung muss dann dafür Sorge tragen, dass der Notbetrieb deutlich stringenter umgesetzt wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Eva Gerth
Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt

